…läuft etwas verkehrt. Es gibt Momente, da holt einen das Aussitzen ein. Manchmal braucht es Monate, vielleicht sogar Jahre, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sich Entscheidungen aufzwängen. In den letzten Tagen und Wochen eskaliert eines meiner ehrgeizigsten Projekte. Monatelanges Ignorieren wurde durch unübersehbare Zwischenfälle zunichte gemacht. Jetzt heißt es Farbe bekennen. Aber welche? Und wie? Meine Informationen sind mehr als verwirrend. Und auch wenn die Tatsachen für sich sprechen, so lange Raum zur Interpretation bleibt, bleibe ich interpretierend statt handelnd. Fakt ist, dass jeder normale Mensch nie in diese Situation geraten wäre, da er sie früher zu lösen gewusst hätte. Es erinnert mich an mein Diplom. Sobald ich Zeit in einen Ansatz investiert habe, scheue ich mich, ihn zu kippen, auch wenn ich weiß, dass er nichts wert ist. Sich selbst einzugestehen, dass man Monate damit verbracht hat, seine Zeit zu verschwenden, ist hart. Da scheinen die Suche nach einer Rechtfertigung und das weitere Festhalten gewinnbringender. Aber das ist es nicht. Es ist nicht gewinnbringend, an einem falschen Ansatz festzuhalten. In meinem Diplom habe ich die falschen Fährten besiegt, für mein Leben muss ich es noch schaffen.
Fallen lassen und liegen bleiben
Mein Diplom ist abgeschlossen. Nicht seit gestern, sondern seit einem guten Monat. Ganz authentisch melde ich mich jetzt erst wieder zu Wort. Und, nein, verdammt, ich habe es noch nicht geschafft, mich auszuruhen. Ich habe irgendwie gar nichts geschafft. Mir fehlt mein Sofa. Ich bin in Berlin, aber ohne Wohnung, ohne Sofa, ohne Nest. Nicht auf der Straße, aber fast. Nicht allein, aber fast. Nicht unglücklich, aber fast. Ich schaffe es, alles auszusitzen, ohne dabei zu sitzen, das ist noch schlimmer. Ein Freund meinte zu mir:
Du kommst mir vor, als hättest du einen Burnout hinter dir, aber das hast du doch gar nicht, was ist los?
Ich habe mich auf mein nicht vorhandenes Sofa gesetzt und darüber nachgedacht. Doch, irgendwie habe ich einen Burnout hinter mir. Einen, der vor über 15 Jahren begonnen hat und bis heute nachwirkt. Ein nie geführter Krieg, den ich allein und viel zu früh durchgestanden habe. Egal, wie man sein Leben angeht, ob es ein leichtes oder ein schwieriges ist, irgendwo scheitern wir alle, manchmal ohne es zu merken. Man sollte Menschen nicht an dem messen, was sie in ihrem Leben darstellen, sondern an dem, was sie durchgestanden haben, ohne daran zu zerbrechen, ohne ihren Mut und ihren Optimismus zu verlieren.
Die wahren Helden sind die, die Verlust und Rückschlag nicht nur überwinden, sondern auch noch dabei lächeln können – und das sind wenige. Ich dachte, ich gehöre zu ihnen. Ich dachte, ich verbrenne Probleme mit meinem Strahlen, aber ich habe mich getäuscht. Jahre sind vergangen und ich komme an den Punkt, an dem ich aufwache. Scheiße, Tank leer. A strong need for love. I feel homeless, alone. Fuck. Vielleicht hilft das Sofa, es kommt nächste Woche. Und dann vielleicht auch wieder mehr von mir…
Entschuldigen sie bitte, aber mein Brieföffner war kaputt!
Wer schreibt heute noch Briefe? Und wer schafft es, seine geschriebenen Briefe mit einer Marke zu versehen und in einen Briefkasten zu werfen? Ich nicht. Und meine Freunde auch nicht. Ich bekomme nur zwei Sorten Post, schlimme und sehr schlimme. Erstere ist meinen Briefkasten verstopfende Werbung, die sogar mich nicht interessiert und letztere bedeutet Arbeit.
Kontoauszüge, Rechnungen, auszufüllende Formulare und vieles mehr. Mittlerweile kenne ich meine Horrorpost, jeder Brief muss sich meinem prüfenden Blick unterziehen bevor ich entscheide, wie es mit ihm weitergeht. Kontoauszüge öffne ich prinzipiell nie, sie kommen direkt in die Ablage «Abheften». Kleine Übel werden auf Deadline und Betreff kontrolliert, in der Hoffnung, dass der nächste Arbeitsanfall schneller kommt als die nächste Mahnung.
Und große Übel sind ein Problem.
Große Übel werden ungeöffnet zur Seite gelegt und täglich mit bösen Blicken bedacht, aber nie mit Feindkontakt. Ein großes Übel kann Wochen auf der Kommode vor sich hinschimmeln und mir auf die Nerven gehen – ich ignoriere es. Und wenn nach ein bis zwei Monaten der erwartete Folgebrief kommt, habe ich bereits einen guten Platz für ihn. Er darf zu seinem Bruder. Zu zweit machen die beiden einen gesellschaftsfähigen Eindruck und wandern irgendwann zu den anderen Briefen, nur geöffnet sind sie immer noch nicht. Eher vergessen.
Heute kam der dritte Bruder. Und in einem Anfall von Wahnsinn habe ich ihn geöffnet: Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung mit Zwangsgeldandrohung in Höhe von dreihundert Euro.
Huch. Ich glaube, es wird Zeit, in Aktion zu treten.
danke für alles, aber vor allem für dich.
Für meine wundervolle Schwester, die ich so sehr liebe und die mein Leben teilt. Mit dir bin ich nie allein und das ist das größte Geschenk, das ich mir vorstellen kann. Danke.
Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist
Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht grösser nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter
Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist
und dich nicht jünger denken
nicht grösser nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist
(Erich Fried)
Kippenorakel
Es gibt einen neuen Plan. Seitdem ich mein Layout über den Haufen geworfen und beschlossen habe, wesentlich reduzierter und systematischer vorzugehen, ist mir was aufgefallen. Das Verhältnis von Textmenge und gestalterischem Aufwand ist nicht ausgeglichen. 182 kaum gestaltete Seiten mit kaum erkennbaren Bildern zu kaum vorhandenen Texten ergeben einen kaum erkennbaren Arbeitsaufwand. War nicht so. Wirklich nicht, die letzten Wochen sind eine Geschichte existenziellen Leidens. Ich bin ein seelisches Wrack. Aber das kann man leider nicht sehen, weder an mir noch an meinem „Werk“. Außer meiner studentischen Befindlichkeit wird es niemanden interessieren.
Ich stehe an meinem Badfenster, starre auf die Zigarette in meiner Hand und mache mir Sorgen (wie so oft), als mir die Lösung im Rauch erscheint:
Du musst schreiben. Schreib um dein Diplom. 182 kaum gestaltete Seiten mit kaum erkennbaren Bildern zu 182 gut geschriebenen Texten könnte funktionieren. 182. Echt jetzt? Ja. Und meine Professorin? Meine „ich habe keine Zeit ihre Mails zu lesen – sie sind mir zu lang – rufen sie mich lieber an“ Professorin? Ich nehme einen tiefen Zug und schaue angestrengt in den Rauch. Nichts. Ende des Orakels.
Ich widme mich wieder meinem Rechner und erstelle in Excel eine 182 Tage umfassende Liste. Auch wenn ich zum Prokrastinieren offiziell keine Zeit mehr habe, Listen machen geht immer. Vom 15. Oktober bis heute sollen 150 Tage jeweils eine Bildunterschrift, Headline und kurze Themenangabe für die Copy bekommen. Noch sind die Spalten weitestgehend ungefüllt. Aber ich teste das System für den heutigen Tag:
Bild: Siehe unten | Bildunterschrift: Blick aus meinem Badfenster | Headline: Kippenorakel | Thema Nr. 150: „Need to write“ | Copy: Siehe oben
Noch knapp drei Wochen bis Redaktionsschluss. 182 Texte. Na dann.

Blick aus meinem Badfenster
panik. ehrlich. ohne bild.
Somewhere. Dieser Schüttelfrost zwischen Zweifel und Euphorie, Gelassenheit und Sorge, er ist so normal und jeder bestätigt ihn mir. Ich leide an einer normalen Begebenheit, ich mache mein Diplom. Es ist so schwer, glaubhaft zu versichern, dass es diesmal anders ist. Dass es kein „normaler“ Fall von Wahnsinn, sondern ein wirklicher Notfall ist. Dass ich keine Ahnung habe, was ich hier mache. Wenn ich „Prokrastination“ belächle und erkenne, dass mir das deutsche Wort „Aussitzen“ lieber ist und weiß, dass ich genau das viel zu lange getan habe. Dieses Diplom einfach ausgesessen habe. Was bekommt man fürs Sitzen?
Eine meiner favourite urban legends ist der Schüler, der in seiner Philosophieklausur zum Thema Mut anstatt eines Aufsatzes einen leeren Zettel abgibt. Mut! So, da habt ihr’s, hier ist er, besser lässt sich Mut nicht beschreiben. Angeblich hat er dafür eine 1 kassiert. Es ist zugegebener Maßen ein wirklich konsequenter Akt, einen leeren Zettel abzugeben. Zumindest im philosophischen Kontext. Aber irgendwie haben urban legends den fahlen Beigeschmack des Unglaubwürdigen und ich nehme ihnen diese Geschichte nicht ab, einer war fake. Der pfiffige Schüler oder die Einserklausur: such den Fehler.
Ich brauche nicht mehr zu suchen, ich habe ihn gefunden – bei mir.
Ich studiere keine Philosophie, der leere Zettel fällt flach. Und auch wenn ich die mir zur Verfügung stehenden gestalterischen Möglichkeiten soweit reduziert habe, wie es das metaphorisch leere Blatt zulässt, ich glaube nicht, dass meine Arbeit mit derselben Genialität nach einer eins schreit:
Leer = Mut (Philosophie)
Leer = Können (die hohe Kunst des reduzierten Designs)
Leer = Zeitmangel (ich).
Schwierig. Aber ich will auch keine 1, ich nehme den Sitzschein. Geht das?
höllisch himmlisch
Als Kind war für mich der beste Part des Urlaubs der Flug. Völlig angstfrei gab es nichts Spannenderes, als hoch über allem durch den Himmel zu schweben. Am besten fand ich Start und Landung, schließlich zeichnet sich das Fliegen durch ein recht unbewegtes Landschaftsbild (Wolken) und im optimalen Fall eine absolut ruhige Flugzeuglage (waagerecht) aus. Langweilig.
Was auch immer diese Faszination ausgelöst hat, es ist weg. Je älter ich werde, umso aufdringlicher wird meine Flugangst. Auch wenn ich nach wie vor lässig meine Flüge im Internet buche, antrete und absolviere, meine Gefühle stehen diesem Verkehrsmittel skeptisch gegenüber. Ich vermeide es, den Sicherheitsvorkehrungen zuzuhören, bin froh, wenn der Start vorbei ist und geradezu erleichtert, sobald das Flugzeug sicher gelandet ist.
Fast noch problematischer sind anstehende Flüge von Menschen, die mir nahe stehen. Jedes Mal wenn meine geliebte Schwester (und Vielfliegerin) sich vor einer Reise verabschiedet, bin ich versucht, sie zu bitten, mir eine SMS zu schicken, sobald sie sicher angekommen ist. Bei Langstreckenflügen macht sie mir diese Freude mittlerweile (Danke).
Heute fliegt der Besitzer der stylischen Spülmittelspender für drei Wochen in die USA, und hat mich damit letzte Nacht zu einem einigermaßen amüsanten Traum inspiriert:
Ein aufschlussreicher Flugzeugabsturz
Am 16. März trifft es wieder meine Schwester, das wird weniger amüsant, aber immerhin, kein Lang-Langstreckenflug. Nur ein längerer Flug.
Mist, ich wünschte, ich wäre wieder sechs, als das Fliegen noch Spaß machte…
die rache des bettes.
Angeblich spielen siebzig Prozent unserer Träume in der Kategorie schlechte und Alpträume. Ich gehöre zu den Menschen, die sich fast täglich an ihre Träume erinnern können, daher wundert mich diese Erkenntnis wenig. Mit der Zeit habe ich mich an sie gewöhnt und hinterfrage sie kaum noch.
Nur manchmal, wenn sie eine geschlossene, fast schon sinnvolle Geschichte ergeben und in gestochen scharfer Erinnerung bleiben, auch noch Stunden nach dem Aufstehen. Dann setze ich mich hin und schreibe sie auf. So wie heute.
Aber auch gut erinnerbare Träume sind flatterhaft und brüchig, es ist nicht leicht sie aufzuschreiben. Unlogische Sprünge, Schnitte, plötzliche Ortswechsel und Filmrisse – es ist als wollte man die Erinnerung an eine Party im Vollrausch rekonstruieren. Das kann dauern. Und nach jedem Lesen formuliere ich wieder um und neu.
Dieser Traum hat dreieinhalb Stunden gedauert. Und er hat mich so beschäftigt, dass ich anschließend auf den Dachboden gestiegen bin und auf der Suche nach einer Erinnerung noch zwei weitere Stunden investiert habe.
Meine Prokrastination scheint sich gegen mich zu richten, die Themen werden immer intimer, um sich dem Berichtbaren zu entziehen. Aber ich habe mich für meinen Traum entschieden. Es ist ein Diplomtraum. Er gehört hierher.
oh, hübsch, will ich auch haben!
Das Rad lässt sich nicht neu erfinden, höchstens neu anstreichen.
Im Design ist das nicht großartig anders. Der Grat zwischen Inspiration und Ideenklau ist schmal, geniale, nie da gewesene Ideen eher selten.
Nein, das soll keine philosophische Diskussion über die Originalität von Kunst und Design werden, sondern die Einleitung für die Umgestaltung von schmucklosen Laugenverpackungen. In der Wohnung eines Freundes entdeckte ich begeistert nicht nur eine, sondern gleich zwei ausgesprochen schöne Spülmittelspender.
Der eine mal wieder eine gute Idee von IKEA, der andere ein glückliches Fundstück mit einem tiefsinnigen englischen Bonmot, das mir partout nicht einfallen will. Das kann man auch prima selber machen, dachte ich mir.
Der richtige Zeitpunkt dafür: Heute. Da ich keine zwei Spülmittel brauche, musste meine Handseife ebenfalls herhalten. Sehr schön, da macht mein Waschzwang im Anfangsstadium gleich viel mehr Spaß.
(Die Entwürfe sind natürlich nicht geklaut, nur das Medium.)
Bitte nachmachen!
Hier die 5 Schritte zum eigenen Seifenspender als Download:
Anleitung
digitaler sprengsatz
Ich leide zurzeit nicht nur unter DD, sondern auch unter diversen anderen Problemen. Aber seit DD erlangen diese Probleme ganz neue Dimensionen. Ich will nicht sagen, dass ich sie hege und pflege, aber zumindest ihre Relevanz schiebt sich in Ruhephasen unangenehm in den Vordergrund.
Der Rechner ist hochgefahren, Word geöffnet, auf einem leeren Dokument blinkt ein nervöser Cursor und plötzlich ändert sich das Bild und wie von Geisterhand öffnet sich mein Emailprogramm. Mal Mails checken. Eigentlich brauche ich das nicht, mein Programm ruft meine Mails automatisch ab und damit ich die wichtigen Neuzugänge sofort bemerke, ertönt ein leises „Zonk“ sobald Schlecker mich über die neuen Fotoprintkonditionen informieren möchte. Super praktisch. Aber leider nur alle zehn Minuten, da muss ich zwischen Minute 2 und 3 selbst kontrollieren, ob wirklich noch keine Mail unterwegs ist.
Um die Enttäuschung über einen leeren Posteingang zu überwinden, habe ich eine feine Taktik entwickelt. Leerer Posteingang heißt ja nicht leer, sondern nur nicht aktuell aufgefüllt. Es gibt massenhaft spannende Mails in meinem Emailprogramm. Massenhaft! Und die besten sind natürlich von mir. Das Interessante daran, sie finden sich nicht unter Gesendete, sondern unter Entwürfe. Das sind freshe, jungfräuliche Emails, die niemand außer mir je zu Gesicht bekommen hat. Sie sind lang und sie sind brisant, so brisant, dass sie diesen Ordner vermutlich nie verlassen werden. Und deswegen mag ich sie so. Sie kribbeln beim Durchlesen, allein der Gedanke, doch noch auf Senden zu klicken und sie dann ihrem und vor allem meinem Schicksal zu überlassen, ohja, es ist aufregend. Wie das Spiel mit Dynamit. Es tröstet über jeden leeren Posteingang hinweg, das Stöbern in diesen Dokumenten meiner tiefsten, inneren Problemwelt, die so wundervoll von meinem Diplom ablenkt…
Wie auch immer, brisante, nie wegzuschickende Emails verfassen und wieder und wieder lesen: geschätzte 120 Stunden. Haha, mindestens. Mindestens!