Wer schreibt heute noch Briefe? Und wer schafft es, seine geschriebenen Briefe mit einer Marke zu versehen und in einen Briefkasten zu werfen? Ich nicht. Und meine Freunde auch nicht. Ich bekomme nur zwei Sorten Post, schlimme und sehr schlimme. Erstere ist meinen Briefkasten verstopfende Werbung, die sogar mich nicht interessiert und letztere bedeutet Arbeit.
Kontoauszüge, Rechnungen, auszufüllende Formulare und vieles mehr. Mittlerweile kenne ich meine Horrorpost, jeder Brief muss sich meinem prüfenden Blick unterziehen bevor ich entscheide, wie es mit ihm weitergeht. Kontoauszüge öffne ich prinzipiell nie, sie kommen direkt in die Ablage «Abheften». Kleine Übel werden auf Deadline und Betreff kontrolliert, in der Hoffnung, dass der nächste Arbeitsanfall schneller kommt als die nächste Mahnung.
Und große Übel sind ein Problem.
Große Übel werden ungeöffnet zur Seite gelegt und täglich mit bösen Blicken bedacht, aber nie mit Feindkontakt. Ein großes Übel kann Wochen auf der Kommode vor sich hinschimmeln und mir auf die Nerven gehen – ich ignoriere es. Und wenn nach ein bis zwei Monaten der erwartete Folgebrief kommt, habe ich bereits einen guten Platz für ihn. Er darf zu seinem Bruder. Zu zweit machen die beiden einen gesellschaftsfähigen Eindruck und wandern irgendwann zu den anderen Briefen, nur geöffnet sind sie immer noch nicht. Eher vergessen.
Heute kam der dritte Bruder. Und in einem Anfall von Wahnsinn habe ich ihn geöffnet: Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung mit Zwangsgeldandrohung in Höhe von dreihundert Euro.
Huch. Ich glaube, es wird Zeit, in Aktion zu treten.
Grade bei Steuerdingen sollte man darauf achten, dass der vierte Bruder (Gerichtsvollzieher) nicht persönlich vorbei schaut…