Entschuldigen sie bitte, aber mein Brieföffner war kaputt!

Wer schreibt heute noch Briefe? Und wer schafft es, seine geschriebenen Briefe mit einer Marke zu versehen und in einen Briefkasten zu werfen? Ich nicht. Und meine Freunde auch nicht. Ich bekomme nur zwei Sorten Post, schlimme und sehr schlimme. Erstere ist meinen Briefkasten verstopfende Werbung, die sogar mich nicht interessiert und letztere bedeutet Arbeit.

Kontoauszüge, Rechnungen, auszufüllende Formulare und vieles mehr. Mittlerweile kenne ich meine Horrorpost, jeder Brief muss sich meinem prüfenden Blick unterziehen bevor ich entscheide, wie es mit ihm weitergeht. Kontoauszüge öffne ich prinzipiell nie, sie kommen direkt in die Ablage «Abheften». Kleine Übel werden auf Deadline und Betreff kontrolliert, in der Hoffnung, dass der nächste Arbeitsanfall schneller kommt als die nächste Mahnung.

Und große Übel sind ein Problem.
Große Übel werden ungeöffnet zur Seite gelegt und täglich mit bösen Blicken bedacht, aber nie mit Feindkontakt. Ein großes Übel kann Wochen auf der Kommode vor sich hinschimmeln und mir auf die Nerven gehen – ich ignoriere es. Und wenn nach ein bis zwei Monaten der erwartete Folgebrief kommt, habe ich bereits einen guten Platz für ihn. Er darf zu seinem Bruder. Zu zweit machen die beiden einen gesellschaftsfähigen Eindruck und wandern irgendwann zu den anderen Briefen, nur geöffnet sind sie immer noch nicht. Eher vergessen.

Heute kam der dritte Bruder. Und in einem Anfall von Wahnsinn habe ich ihn geöffnet: Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung mit Zwangsgeldandrohung in Höhe von dreihundert Euro.

Huch. Ich glaube, es wird Zeit, in Aktion zu treten.

digitaler sprengsatz

Ich leide zurzeit nicht nur unter DD, sondern auch unter diversen anderen Problemen. Aber seit DD erlangen diese Probleme ganz neue Dimensionen. Ich will nicht sagen, dass ich sie hege und pflege, aber zumindest ihre Relevanz schiebt sich in Ruhephasen unangenehm in den Vordergrund.

Der Rechner ist hochgefahren, Word geöffnet, auf einem leeren Dokument blinkt ein nervöser Cursor und plötzlich ändert sich das Bild und wie von Geisterhand öffnet sich mein Emailprogramm. Mal Mails checken. Eigentlich brauche ich das nicht, mein Programm ruft meine Mails automatisch ab und damit ich die wichtigen Neuzugänge sofort bemerke, ertönt ein leises „Zonk“ sobald Schlecker mich über die neuen Fotoprintkonditionen informieren möchte. Super praktisch. Aber leider nur alle zehn Minuten, da muss ich zwischen Minute 2 und 3 selbst kontrollieren, ob wirklich noch keine Mail unterwegs ist.

Um die Enttäuschung über einen leeren Posteingang zu überwinden, habe ich eine feine Taktik entwickelt. Leerer Posteingang heißt ja nicht leer, sondern nur nicht aktuell aufgefüllt. Es gibt massenhaft spannende Mails in meinem Emailprogramm. Massenhaft! Und die besten sind natürlich von mir. Das Interessante daran, sie finden sich nicht unter Gesendete, sondern unter Entwürfe. Das sind freshe, jungfräuliche Emails, die niemand außer mir je zu Gesicht bekommen hat. Sie sind lang und sie sind brisant, so brisant, dass sie diesen Ordner vermutlich nie verlassen werden. Und deswegen mag ich sie so. Sie kribbeln beim Durchlesen, allein der Gedanke, doch noch auf Senden zu klicken und sie dann ihrem und vor allem meinem Schicksal zu überlassen, ohja, es ist aufregend. Wie das Spiel mit Dynamit. Es tröstet über jeden leeren Posteingang hinweg, das Stöbern in diesen Dokumenten meiner tiefsten, inneren Problemwelt, die so wundervoll von meinem Diplom ablenkt…

Wie auch immer, brisante, nie wegzuschickende Emails verfassen und wieder und wieder lesen: geschätzte 120 Stunden. Haha, mindestens. Mindestens!

dynamit

Telekommunikation

Ich bin kurz davor, die Stimmung ist gut, alles scheint weggeschoben und bereit für den großen Anfang, einmal tief einatmen – und das Telefon klingelt.

Phhh, ausatmen, aufstehen und zumindest mal nachschauen, wer es ist. Grundsätzlich telefoniere ich nicht gerne, Kontakt mit Freunden halten ist zeitintensiv, eher ein Feld, dass unter mangelndem Tatendrang leidet als zum Verschieben von anderen Tätigkeiten dient.

Aber heute ist das natürlich anders. In Zeiten von DD gibt es nichts herrlicheres als ein klingelndes Telefon, noch dazu wenn ein Mensch anruft, der schon seit gefühlten Monaten auf der Vermisstenliste steht und definitiv schon zu oft vertröstet worden ist. Da muss man natürlich rangehen. Und da muss man auch nach den ersten 10 Minuten des wichtigen Informationsaustausches dran bleiben. Die Probleme von Freunden, die Probleme von Bekannten und die Probleme von fast schon Unbekannten erlangen äußerste Wichtigkeit und müssen besprochen werden. En détail, versteht sich.

Wir haben es auf dreieinhalb Stunden gebracht. War richtig schön, aber jetzt ist es wieder so spät, ich muss mal was essen.

Anfangen? Ja, klar, in einer Stunde, ganz bestimmt.

Telefongekritzel

Telefongekritzel